Dilemma_I_care! ist ein gemeinsames Berufsbildungsforschungs- und praxisprojekt der Medical School Berlin (MSB) und der Caritas Erzdiözese Wien unter Initiierung und Leitung von Prof.in Dr. Julia Göhler. In dem von der EU-kofinanzierten Vorhaben soll mittels eines frei zugänglichen online-Trainings Bewusstsein für die Existenz, die Varianz und die Bedeutung des Umgangs mit Dilemmata in den

Pflegeberufen erreicht werden. Ein differenzierter Umgang Pflegender smittels eines eigens dafür erstellen online-Dilemmata-Trainings gefördert werden.

Der Bedarf eines solchen Trainings für die Praxis ist hoch: Fachpersonen werden mit alltäglichen, komplexen bis hochkomplexen dilemmatischen Anforderungssituationen am Arbeitsplatz konfrontiert, sind einschlägigen wissenschaftlichen Arbeiten zu Folge allerdings kaum oder nur unzureichend darauf vorbereitet (Basso-Musso, 2012; Monrouxe & Rees, 2017).

Das online-Dilemmata-Training wird nach einer wissenschaftlichen Erprobung in sieben Sprachen zur Verfügung gestellt (dt., engl., franz., span., ital., bulgar., rumän.).

Unser ‚warum‘: das Bewusstsein Pflegender um widersprüchliche Anforderungen im Beruf schärfen & den Umgang damit verbessern

Das Projekt widmet sich transnational, authentischen, moralischen Dilemmata am Arbeitsplatz von angehenden Pflegefachpersonen. Dilemmata sind ein unterschätzter, ein bislang kaum praktisch und empirisch adressierter Grund extremer Belastung - u. U. des Ausstiegs von (angeh.) Pflegefachpersonen aus ihrem Beruf.

Moralische Dilemmata zeichnen sich grundlegend durch zwei sich ausschließende Handlungsoptionen aus, für die es jeweils moralische Handlungsgründe gibt (u. a. moralisches Gebot o. Norm). Bsp.: Würde ich den folgenschwer gewordenen Medikationsfehler eines Kollegen öffentlich machen o. aus Loyalität verschweigen? Soll ich der dementen Patientin auf die Frage, ob sie wieder nach Hause kommt, ehrlich antworten, dass dies sehr wahrscheinlich nie wieder so sein wird - auch auf die Gefahr hin, dass sie dann noch unruhiger wird o. besser etw. ausweichendes, gar unwahres, aber beruhigendes sagen?

Dilemmata sind nur bedingt systematisch vermeidbar, auflösbar sind sie nie. Sie sind pro bzw. contra eines Handlungsgrundes zu entscheiden u. so stellen sich insbesondere mit moralischen Dilemmata Fragen der moralischen (Un-)Schuld. Die Arbeit von Pflegefachpersonen verlangt nicht nur in situationsdynamischen, folgenschweren Momenten Entscheidungen, die die agierende Person in besonderer Weise mit der Verantwortung für sich selbst und Dritte konfrontiert. Auf diese Anforderung sind Fachkräfte, einschlägigen Studien zufolge, nicht oder zu wenig vorbereitet (u. a. Monrouxe & Rees, 2017; Basso-Musso, 2012). Nicht selten gehen mit Dilemmata ein nachhaltiges Bereuen, nicht anders gehandelt zu haben, einher.

Unser ‚wie‘: ein berufsspezifisches Trainingsangebot schaffen auf Basis authentischer Dilemmata

Trainingsangebote zum Umgang mit Dilemmata sind rar. Der Bezug zur Pflege ist kaum gegeben. Dilemma_I_care! geht neue Wege und strebt ein Tetra- statt Di-lemma-Training an (Varga von Kibéd & Sparre, 2023) an - d. h. eine geführte Auseinandersetzung mit Werten und Dilemmata, die über das Aufzeigen von nur zwei (Di-) Handlungsmöglichkeiten hinausgeht und damit auch kontextformendes Potenzial trägt. Die Umsetzung des Trainings erfolgt in Moodle, die Überprüfung der Wirksamkeit in moodle per pretest intervention posttest design.



Quellen:

  • Basso-Musso, L. (2012). Nursing and the resolution of ethical dilemmas. Invest Educ Enferm. 2012;30(2): 260-268.
  • Monrouxe, L. V., & Rees, C. E. (2017). Healthcare professionalism: improving practice through reflections on workplace dilemmas. John Wiley & Sons.
  • Varga von Kibéd, M. & Sparrer, I. (2023). Ganz im Gegenteil. Tetralemmaarbeit und andere Grundformen systemsicher Strukturaufstellungen. Carl-Auer.